Wenn „Best Practice“ zur Worst Practice wird
- Eva Jenisch

- 29. Okt.
- 2 Min. Lesezeit
Die Gründe, warum das Kopieren von Erfolgsmodellen aus anderen Bereichen nach hinten losgehen kann, und was man stattdessen tun sollte

Wir alle haben es schon erlebt. Ein Unternehmen hört von einem Prozess, der anderswo hervorragend funktioniert hat, kopiert ihn eins zu eins und ist dann überrascht, wenn er floppt.
In einem komplexen und streng regulierten Bereich wie der Pharmabranche kann die falsche „Best Practice“ echten Schaden anrichten. Meiner Erfahrung nach kommt Erfolg nicht dadurch zustande, dass man einfach eine gute Idee übernimmt, sondern indem man sie so umgestaltet, dass sie zu den spezifischen Bedingungen, Menschen und Herausforderungen des Ortes passt, an dem sie angewendet werden soll.
📏 Der Mythos der Universallösung
Best Practices werden oft als fertiges Rezept präsentiert. In der Praxis kann jedoch selbst der eleganteste Ansatz für die Ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen ungeeignet sein. Sachzwänge in der Fertigung, Compliance-Anforderungen, Marktvolatilität und sogar die Unternehmenskultur können eine direkte Übernahme wirkungslos machen. In der Pharmaindustrie kann ein Prozess, der in einem Betrieb erfolgreich ist, in einem anderen zu Engpässen führen.
🗺️ Der Kontext ist entscheidend
Die wertvollsten Erkenntnisse in meiner Beratungstätigkeit erhalte ich, indem ich Fragen stelle, bevor ein externes Konzept umgesetzt wird. Was genau ist das Problem, das wir lösen wollen? Inwiefern unterscheidet sich unser Umfeld von dem, in dem diese Methode erfolgreich war? Ohne diese Vorbereitung kann selbst ein „bewährtes” System zu Reibungen statt zu einem reibungslosen Ablauf führen. Das Verständnis des Kontexts ist keine Option, sondern der Grundstein für eine effektive Betriebsgestaltung.
🔧 Die Anpassung steht ganz klar vor der Übernahme
Anstatt einen Prozess komplett zu übernehmen, rate ich Führungskräften, Best Practices als Inspiration und nicht als Anweisung zu betrachten. Zerlegen Sie den Ansatz in einzelne Komponenten. Prüfen Sie jede einzelne Komponente anhand Ihrer eigenen Einschränkungen und Möglichkeiten. Behalten Sie, was funktioniert, ändern Sie, was angepasst werden muss, und verwerfen Sie den Rest. Diese Anpassungsmentalität verhindert eine zu starke Verkomplizierung und stellt sicher, dass die Lösungen wirklich zielführend sind.
🤲 Beziehen Sie die Menschen ein, die den Prozess leben
Die Mitarbeiter an vorderster Front erkennen die Tücken einer kopierten Lösung oft lange vor den Führungskräften. Wenn man sie frühzeitig einbezieht, werden sie zu aktiven Mitgestaltern statt zu passiven Empfängern von Veränderungen. Ihr Feedback deckt versteckte Abhängigkeiten und praktische Realitäten auf, die externe Modelle übersehen. In Projekten führt dieser kollaborative Ansatz stets zu Konzepten, die sowohl innovativ als auch umsetzbar sind.
💡 Entwickeln Sie Ihre eigene „Best Practice“
Die leistungsfähigsten Prozesse werden nicht vollständig übernommen, sondern basieren auf einer Mischung aus bewährten Ideen und lokalem Einfallsreichtum. Dokumentieren Sie, was in Ihrem eigenen Umfeld funktioniert, verfeinern Sie es durch kontinuierliche Verbesserung und teilen Sie es in Ihrem Netzwerk. So entstehen lebendige Praktiken, die sich mit Ihrer Organisation weiterentwickeln, anstatt statische Regeln, die von anderswo importiert wurden.
🤔 Den Begriff „das Beste“ grundlegend überdenken
Best Practice sollte niemals blinde Nachahmung bedeuten. Es sollte die beste Lösung für Ihre individuellen Herausforderungen, Einschränkungen und Ziele sein. In komplexen Lieferketten ist der intelligenteste Weg selten der am schnellsten umsetzbare, sondern derjenige, der am tiefsten in Ihrer Realität verwurzelt ist.
Wie oft hat Ihr Unternehmen eine externe Best Practice umgesetzt, die auf dem Papier perfekt aussah, aber in der Umsetzung scheiterte? Was hätte man anders machen können?




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