Ordnung in Bewegung
- Eva Jenisch

- 26. Nov.
- 2 Min. Lesezeit
đ Was mir eine japanische Bahnsteigszene ĂŒber Flow beigebracht hat

Auf meiner Reise durch Japan hat mich etwas fasziniert, das auf den ersten Blick banal erscheinen mag: Wie Menschen auf ZĂŒge warten. Jeder Fahrgast steht ruhig in der Warteschlange, genau dort, wo sein reservierter Wagen halten wird. Kein GedrĂ€nge, kein RĂ€tselraten, kein Sprint in letzter Minute. Der Zug fĂ€hrt pĂŒnktlich ein, die TĂŒren passen exakt zu den Markierungen auf dem Bahnsteig, und innerhalb von Sekunden sind alle eingestiegen. Es wirkt fast mĂŒhelos; das ist es aber nicht. Hinter dieser reibungslosen Choreografie steht ein ĂŒber Jahrzehnte fein abgestimmtes System, das PrĂ€zision, Vorhersehbarkeit und Respekt miteinander vereint. Es ist ein MeisterstĂŒck des operativen Flows.
đŻ Die Schönheit der Vorhersehbarkeit
In vielen Unternehmen gilt âFlexibilitĂ€tâ als höchste Tugend. Doch der japanische Bahnsteig hat mich daran erinnert, wie kraftvoll auch Vorhersehbarkeit sein kann. Wenn jeder weiss, was ihn erwartet und wo er stehen soll, bewegt sich das System schneller und mit weniger Aufwand. Darum geht es bei Lean Operations: Klarheit und Rhythmus schaffen, damit Menschen und Prozesse harmonisch zusammenarbeiten können. Ziel ist es nicht, zu hetzen, sondern Reibung zu vermeiden. Vorhersehbarkeit bedeutet keine Starrheit, sondern ist die Grundlage fĂŒr Flow. In der Fabrik könnten das visuelle Hinweise sein, die den Materialfluss steuern. In der Supply-Chain-Planung bedeutet es standardisierte AblĂ€ufe, die Entscheidungen ĂŒber Funktionen hinweg abstimmen. Wo immer Flow zĂ€hlt, ist Klarheit ein stiller Beschleuniger.
âïž Wenn das System sich verschiebt
Einmal wurde unser Zug um 30 Minuten verspĂ€tet, weil er eine andere Route nehmen musste. FĂŒr uns war das kein Problem, aber viele FahrgĂ€ste verpassten ihre AnschlusszĂŒge und waren gestresst. Dieser Moment offenbarte eine weitere RealitĂ€t effizienter Systeme: Wenn der Flow unterbrochen wird, wirkt sich das auf alles aus. Selbst die verlĂ€sslichsten Prozesse stehen und fallen mit der Abstimmung der einzelnen Schritte. Ein reibungsloser Ablauf hĂ€ngt nicht nur von den lokalen Ereignissen ab, sondern davon, wie gut alles zusammenpasst. In der BetriebsfĂŒhrung trifft hier AgilitĂ€t auf Struktur. Die besten Systeme vereinen beides: klare Standards, die StabilitĂ€t schaffen, und flexible Reaktionen, wenn sich die Bedingungen Ă€ndern.
đ Der Bahnsteig als Metapher
Der japanische Bahnsteig ist eine perfekte Metapher fĂŒr gut gestaltete Prozesse. Nicht die Technik macht sie effizient, sondern die Haltung. Die Liebe zum Detail. Der Respekt vor Ordnung und Zeit. Digitale Tools und Automatisierung können Flow beschleunigen, aber nur, wenn der zugrunde liegende Ablauf bereits funktioniert. Wenn Menschen noch âĂŒber den Bahnsteig rennenâ, hilft keine App. Vielleicht ist das die eigentliche Erkenntnis aus Japan: Exzellenz ist nicht laut oder dramatisch. Sie ist leise, konsequent und basiert auf Respekt fĂŒr das System und die Menschen darin.
đïžÂ Serviceorientierung
Was mich ebenso beeindruckt hat wie die PĂŒnktlichkeit, war der Kundenservice. Das Japanese Railways-Personal war stets höflich, bestens informiert und geschult und hilfsbereit. Selbst bei Störungen blieb das Team ruhig und respektvoll, was die FahrgĂ€ste beruhigte. Diese Kundenorientierung könnten viele Unternehmen als Vorbild nehmen.
đĄ Zum Nachdenken
Wie gut funktioniert das âBahnsteigâ-Prinzip in Ihrer Organisation?
Sind Rollen, Verantwortlichkeiten und AblĂ€ufe fĂŒr alle Beteiligten klar?
Ermöglichen Ihre Prozesse, sich auf Wertschöpfung statt auf BrandbekÀmpfung zu konzentrieren?
Und wie widerstandsfÀhig ist Ihr Flow, wenn unerwartete Störungen auftreten?




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