Der Prognose-Trugschluss: Warum mehr Daten nicht gleichbedeutend mit besserer Planung sind
- Eva Jenisch

- 20. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Eine kritische Auseinandersetzung mit dem blinden Vertrauen in Datenpräzision und was wirklich hilft, mit Unwägbarkeiten in der Planung umzugehen

📈 Wenn Präzision zur Ablenkung wird
Die Nachfrageprognose ist in vielen Lieferketten der Pharmaindustrie eine Obsession. Die Teams jagen immer feineren Nachfragesignalen nach und fügen den Modellen Dezimalstellen und Dimensionen hinzu. Und dennoch bleibt die Kluft zwischen Plan und Realität oft bestehen.
Zu Beginn meiner Karriere glaubte auch ich, dass bessere Daten zu einer besseren Planung führen würden. Ich habe auf die harte Tour gelernt, dass nicht die Genauigkeit der Daten, sondern die Belastbarkeit des Systems für den Erfolg entscheidend ist.
🌀 Die Illusion der Kontrolle
Prognosen vermitteln ein beruhigendes Gefühl der Kontrolle. Doch in Wirklichkeit kann kein Algorithmus das Marktverhalten, Auftragsänderungen in letzter Minute oder regulatorische Verzögerungen vollständig abbilden. Ich erinnere mich an ein Projekt, bei dem wir Zugang zu sämtlichen historischen Daten, Marktinformationen und Maschinenleistungen hatten. Und trotzdem haben wir das Ziel verfehlt. Der Grund? Das System war so konzipiert, dass es der Vorhersage folgte anstatt die unvermeidlichen Abweichungen aufzufangen.
🧩 Anpassungsfähigkeit ins System einbauen
In einem Projekt haben wir nicht mehr versucht, die Unwägbarkeiten vorherzusehen. Stattdessen gestalteten wir den Planungsprozess so um, dass er sich der Unsicherheit anpassen konnte. Wir verkürzten die Zyklen, erhöhten die Transparenz in allen Funktionen und bauten Puffer ein, wo dies sinnvoll war. Der Durchbruch kam, als wir uns weniger darauf konzentrierten, die Zukunft vorherzusagen, sondern mehr darauf, auf die Gegenwart zu reagieren. Das Team berichtete von weniger Feuerwehrübungen und mehr Kontrolle, obgleich die Daten nicht genauer waren.
🧑🤝🧑 Funktionsübergreifende Kommunikation schlägt Komplexität
Eine der wirksamsten Änderungen war die Vereinfachung der Kommunikation. Anstatt detaillierte Prognoseberichte auszutauschen, hielten wir kurze taktische Besprechungen ab, in denen Planer, Produktion und Vertrieb über reale Nachfrageverschiebungen sprachen. Die Erkenntnis war: Prognosefehler sind weniger problematisch, wenn die Teams sich einig sind, wie sie reagieren sollen. Komplexität in den Daten ist kein Ersatz für Klarheit in den Rollen und im Rhythmus.
🪢 Planen für Variabilität, nicht dagegen
Der Versuch, die Schwankungen zu eliminieren, ist in der Arzneimittelindustrie eine verlorene Schlacht. Stattdessen leite ich die Teams an, ihre Planungssysteme um bekannte Unwägbarkeiten herum zu strukturieren. Das bedeutet, zwischen vorhersehbaren Schwankungen und echten Ausnahmen zu unterscheiden. Es bedeutet, Regeln dafür aufzustellen, wann und wie Anpassungen vorgenommen werden sollen. Und vor allem bedeutet es, Planungsteams aufzubauen, die nicht nur analytisch, sondern auch agil sind.
❓ Ist Ihre Planung auf Prognose oder Adaptation ausgelegt?
Wenn Ihr Planungsprozess immer noch besseren Prognosen nachjagt, ist es vielleicht an der Zeit, einen Schritt zurückzutreten. Was würde sich ändern, wenn Ihr System die Unwägbarkeiten annehmen würde, anstatt sie zu bekämpfen? Beginnen Sie damit, eine Planungsroutine zu entwickeln, die flexibler genutzt werden könnte. Die beste Planung ist nicht die präziseste, sondern die am besten vorbereitete.




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