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Was ich durch Zuhören gelernt habe, bevor ich zu einer Diagnose komme

  • Autorenbild: Eva Jenisch
    Eva Jenisch
  • 10. Sept.
  • 2 Min. Lesezeit

Gedanken einer Beraterin darüber, dass Neugierde oft mehr löst als Fachwissen allein.


Image by pressfoto on Freepik
Image by pressfoto on Freepik

Dieses Jahr war ich zum Klassentreffen meiner INSEAD-Klasse wieder in Fontainebleau. Die Tage waren vollgepackt mit spannenden Gesprächen und neuen Erkenntnissen, aber ein Vortrag blieb mir in Erinnerung. Es ging um Neugierde. Nicht die allgemeine Art, die wir alle zu schätzen wissen, sondern die stille, bescheidene Art, die von uns fordert, zuzuhören, ohne voreilige Schlüsse zu ziehen.


Als Beraterin neige ich eher dazu, eine Diagnose zu stellen. Ich erkenne schnell Muster, schöpfe aus Erfahrung und biete Lösungen an. Das ist es, was die Kunden erwarten. Aber diese Präsentation liess mich innehalten. Habe ich immer das herausgehört, was wirklich wichtig ist? Oder bestätigte ich nur, was ich bereits wusste?


👂 Zuhören vor Lösungsfindung


Es gab ein Kundenprojekt, bei dem dies deutlich wurde. Das Produktionsteam war frustriert. Die Besprechungen waren angespannt, Verbesserungsinitiativen gerieten ins Stocken, und die üblichen Instrumente schienen nicht zu greifen. Ich war bereit, mein Standardhandbuch anzubieten, aber stattdessen blieb ich neugierig. Ich verbrachte eine Woche damit, durch das Unternehmen zu gehen, Fragen zu stellen und die Zeit nicht mit Lösungen zu füllen.


Diese Änderung meiner Grundhaltung veränderte alles. Unter der Oberfläche fand ein subtiler Machtkampf zwischen Planung und Betrieb statt. Jede Seite glaubte, die andere sei das Problem. Kein Datenmodell hätte das enthüllt. Aber das Zuhören schon.


🧩 Neugierde schafft Verbindung


Wie ich gelernt habe, ist Neugierde nicht passiv. Sie ist aktiv, bewusst und zutiefst menschlich. Als ich aufhörte, mich als Experte aufzuspielen, und mich stattdessen auf eine echte Nachforschung einliess, öffneten sich die Leute. Nicht nur über Fakten, sondern auch über Ängste, Spannungen und Ideen, die sie vorher nie geäussert hatten.


Diese Art des Zuhörens baute schneller Vertrauen auf als jeder Workshop oder jeder Handlungsrahmen es je vermocht hätte. So konnten wir gemeinsam Veränderungen erarbeiten, die relevant und praktisch waren und - was noch wichtiger ist - von den Menschen getragen wurden, die die Arbeit machten.


🔍 Fachwissen kann den Blick auf das Wesentliche verstellen


Paradoxerweise verlassen wir uns umso eher auf das, was früher funktioniert hat, je mehr Erfahrung wir haben. Aber in komplexen Systemen wie den Lieferketten der Pharmaindustrie ist keine Situation wie die andere. Fachwissen hilft uns, Optionen zu erkennen, aber Neugierde hilft uns, klug zu wählen. Sie bewahrt uns davor, Symptome zu behandeln, anstatt die Ursachen zu verstehen.


🌱 Bessere Fragen, Bessere Ergebnisse


Seitdem habe ich ein neues Werkzeug in mein Instrumentarium aufgenommen: die Pause. Ich stelle weniger Fragen wie „Warum machst du das so?“ und mehr „Was ist dir bei diesem Prozess wichtig?“ Ich lausche auf die Logik hinter den Gewohnheiten. Ich suche nach der Bedeutung, die der Routinearbeit zugrunde liegt.


Was würde passieren, wenn wir einige unserer Antworten durch bessere Fragen ersetzen würden?

Neugierde ist vielleicht nicht auf einem KPI-Dashboard zu finden, doch sie öffnet oft die Tür zu den Veränderungen, nach denen wir wirklich suchen.

 

 
 
 

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